Eine Erklärung

Vielleicht haben sich unsere geneigten Leserinnen und Leser schon gewundert, warum wir von radical eigentlich nichts mehr über Jaguar, Land Rover und Range Rover schreiben. Wir wollen das Kind mal beim Namen nennen. Wobei es da nicht nur um JLR geht.

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Machen wir uns nichts vor, es ist ein Spiel. Ein, hmm, eigenartiges, denn wo es um Kompetenz, Authentizität und Ehrlichkeit gehen sollte, geht es indes um: feinstes Essen, guten Wein, edelste Hotels und Langstreckenflüge. Die Auto-Hersteller, sie geben. Etwa jene Einladungen, die den Motor-Beschreiber für ein neues Lichtlein oder zwei ganz spezielle Farben um die halbe Welt fliegen. Dieser gibt dann zurück, ein Berichtlein, ein liebeschönesfeines am liebsten, 100 Zeilen Print, oder den fetten Blog-Eintrag mit wunderbarsten Verlinkungen – und dann sind alle froh und glücklich. Der Hersteller lädt wieder ein, weil er sich dank der kompetenten Beurteilung einen schönen Batzen Marketing-Kohle sparen kann, und der Schreiber kriegt noch ein Auto, noch eine Reise – es ist ein schöner, seit Jahrzehnten bestens funktionierender Kreislauf.

An dem wir von radical auch mittun. Weil es nicht anders geht – weil wir unseren Lesern ja gerne die neusten Produkte und technischen Errungenschaften ganz aktuell vorstellen wollen. Weil wir dazu ja auch etwas zu sagen und zu schreiben haben, mehr als 50 Jahre Erfahrung und diverse Bücher auf unserem von der Schreibarbeit gekrümmten Rücken vereinen, wissen, wie ein Klauengetriebe funktioniert – und welcher Sauternes am besten zur Gänseleber passt. Schon spüren, wo der Grenzbereich beginnt – und wohin die Hasen so laufen in der Industrie. Halt auch ein paar Zusammenhänge sehen – auch ohne Sitzproben. Und das Automobil lieben, von ganzem Herzen.

Doch was, wenn einem das Lichtlein nicht gefällt, die Farbe im Schatten plötzlich nimmer so richtig funkelt? Oder gar: wenn das ganze Auto nix ist? Was, wenn man schreibt, was man denkt, spürt, weiss? So, wie wir das hier bei radical gerne zu tun pflegen?

Es geht hier um: schwarze Listen. Also: das Aussperren. Es wird viel darüber gemunkelt, die Auto-Industrie bestreitet natürlich, dass es solche gibt, die Motor-Schreiberlinge mutmassen gern, dass eben doch, ganz besonders dann, wenn sie nie einen Bugatti oder Rolls-Royce bewegen dürfen. Oder nie mit Opel in den Ruhrpott reisen dürfen.

Es gibt sie. Der Ruch, seit drei Jahrzehnten im Geschäft, kennt sie bestens. Er durfte manche Jahre nicht beim Daimler mittun, weil, bei BMW ist es auch Usus (Ruch hat gerade wieder eine einjährige «Strafe» abgesessen, durfte dann einmal wieder mitreisen, hat aber wohl wieder was falsch gemacht unterdessen, wobei: keine Ahnung, was es war, siehe Fahrbericht BMW 650i, siehe Fahrbericht BMW M135i), seit einer Meinungsverschiedenheit mit Aston Martin ist es von dort sehr ruhig – und bei Jaguar-Land Rover ist es ganz offiziell. Ich habe es: Schwarz auf Weiss. Seit mehr als einem Jahr jetzt schon – und wohl lebenslänglich.

Einverstanden, ich hab mich da mal danebenbenommen. Mich, wohl nicht mit dem typisch britischen Understatement, darüber beschwert, dass es ein kompletter ökologischer Blödsinn ist, von Barcelona nach Lleida mit einem Charter-Flieger zu reisen (wen es interessiert, der kann ja mal die Distanz googeln). Und dann fast einem Instruktor die Fresse poliert, weil er mir auf der Rennstrecke ins Lenkrad gegriffen hat. Und keinerlei Verständnis dafür aufgebracht, dass ich einen Beifahrer erhielt, der sich nach 500 Metern erstmals das edle Nachtessen vom Vorabend noch einmal durch den Kopf gehen lassen wollte. Gut, es war sicher nicht mein bester Tag, damals, ich habe mich danach auch entschuldigt, allerorten, es zumindest versucht, aber black is black, und sämtliche weiteren Annäherungsversuche meinerseits gingen aber sowas von.

Wohl fand ich halt auch das F-Type Coupé nicht ganz so toll. Wie ich ja schon vom offenen F-Type nicht annähernd so begeistert war wie viele andere. Aber: es ist so. Das Auto ist nicht das, was es hätte sein können – oder gar: sollen. Dabei ist es gar kein generelles Problem mit Jaguar-Land Rover. Sie können, wenn sie wollen. Ich spreche da aus guter Erfahrung, denn ich fahre ja privat einen Defender. Ich liebe ihn. Ich verstehe ihn. Ich kenn seine Geschichte ein bisschen besser als andere, ich verteidige ihn – unterdessen halt nur noch: privat – durch Grund und Boden. Ich hab auch zur Marke Land Rover, weiterhin, vielleicht ein etwas anderes Verhältnis als andere Beschreiber und Kopisten, würde ja gern auch viel erzählen, Geschichte, Markenkern, Britishness, aber – so ist es nun halt. Kein Wort mehr von mir, weil: schwarze Liste.

Und das ist jetzt vielleicht sogar ganz gut so. Der Markus, mein «partner in crime» hier auf radical, kriegt ja weiterhin Einladungen zu Presse-Veranstaltungen von Jaguar/Land Rover. Und auch Testwagen. Weil wir ja nicht nur radical mit Texten beliefern, sondern auch ein paar andere Medien, Print, online. Diese Testwagen fahre ich nicht, weil, eben: ausgesperrt. Aber manchmal lässt es sich halt organisatorisch nicht vermeiden. Und deshalb musste ich kürzlich den neuen Land Rover Discovery Sport, äh, ein paar Kilometer bewegen. Ich weiss nichts über dieses Auto, interessiert mich ja nicht mehr, darf mich ja auch nicht interessieren, aber – es ist gut, dass ich nichts über diesen Wagen schreiben darf. Weil, nein, ich sag jetzt besser nix, nichts von Plastik und auch nicht von Dacia und Riz Kasimir und eben: Markenkern – in den USA kann man ja zu mehrfach lebenslänglich verurteilt werden. Denn: sonst ist Tür wohl ganz zu.

Das soll nun auch nicht sein. Denn wir haben ja auch so etwas wie Informationspflicht, wollen diese gerne wahrnehmen. Doch wir sind eben auch: radical. Wem das nicht passt, der hat ein Problem – und tut uns leid. Wenn ein paar ehrliche Zeilen zu solch grosser Beleidigung führen, dann fragen wir uns, ob man generell genug Selbstbewusstsein hat, um vernünftige Autos zu bauen. Und das gilt, ausdrücklich, nicht nur für JLR.

Früher, als man noch mehr balls hatte: Jaguar und Range Rover und Land Rover im Archiv. Weil ich diese Marken wegen ihrer Autos ja mal geliebt habe. Und immer ehrlich mit ihnen war.

Und, übrigens: diese Zeilen sind meine ganz persönliche Meinung. Sie betreffen einzig und allein: www.radical-mag.com. Wo wir halt schreiben (können), was wir so denken – siehe: oben. Und wir nehmen auch gerne Ihre Meinungen dazu entgegen, hier – oder diskutieren auf unserer Facebook-Seite.

(Und: sorry, wir haben ein technisches Problem mit unseren radical-Seiten. Es ist zwar keine Lösung in Sicht, aber wir arbeiten dran.)

Text und Bild: Peter Ruch

10 Kommentare
  1. Mich interessieren ehrliche Meinungen, weiter so! Ihr seid zwar Schweizer, aber zum Glück und viel wichtiger radical!

  2. ein augenöffner. vielen dank dafür und als zuruf aus dem fernen bayern: weiter so! lieber anecken als anbiedern!

  3. Reinhard Schneller Zürich sagte:

    hallo zusammen – ich lese euer magazin seit jahren und freu mich jedesmal über eure kompetenten und kritischen kommentare. Man(n) merkt dass ihr – wie ich – manche wagen mit leidenschaft bewegt und manche eben weniger gern. Deshalb bin ich froh um diesen offenen kommentar und euer anliegen weiter objektiv und unbeeinflusst zu schreiben. Ich freu mich auf euer weiteres engagement und … bleibt weiter fast and curious ! Euer Reiner

  4. gtzaprimke sagte:

    Grüezi!
    Ja, ein sehr schöner Kommentar von Euch. Hat was. Und ist sehr wahr. Ich kenne Eure Branche zwar nicht. So doch sehr gut die Tourismusbranche. Und bei den dortigen PR-Agenturen und Unternehmen geht es nicht anders. Auch da muss man möglichst immer das Feinstliebchen sein. Und bei eigener Meinung – oder gar der Frechheit lieber mal etwas nicht zu schreiben, weil man sonst Ärger mit Anwälten bekommen könnte – da kommt dann die Schwarze Liste. Auf der man – bei Nachfrage – nicht steht, da nicht existent. Aber dennoch ist man nicht mehr auf dem Presseverteiler. Schon sehr lustig.
    Keep on rocking!
    Servus,
    Götz aka Le Gourmand – Das Geniesser-Magazin
    http://www.legourmand.de

  5. Top, endlich mal wieder einer, der (auch) die Wahrheit schreibt. Ich sag immer: wenn die Pressetermine nicht in Las Vegas im 5 Sterne Resort, sondern in Bottrop im Ibis stattfinden würden, gäbe es gleich ein paar Auto-Lifestyle-Blogger weniger. Übrigens haben es wir Pressefotografen richtig schwer: Wenn wir zur PK vom Daimler zur IAA wollen: nix Business Class Flug, nix Hotel, nix Catering. Wir tragen grundsätzlich Anreise und Übernachtung bei Pressekonferenzen selbst.

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